Zu Gast in Augensternswelt: Tante Jana und ihre UFOs im Kopf

Hallo, ich bin Tante Jana und freue mich sehr, dass ich heute bei Annette auf Augensternswelt einen Gastbeitrag zu meinen Erfahrungen, Strategien und Best Practices zum mehr oder weniger erfolgreichen Abarbeiten von Nähprojekten schreiben darf. Seit Februar 2015, also schon seit fünf Jahren blogge ich auf Zum Nähen in den Keller. Am 12.03. erschien mein 700. Blogbeitrag, das war also erst kürzlich so eine Art kleines Jubiläum 🙂 Vielleicht hätte ich dafür etwas Würdevolleres als ein paar neue Schlüpfer für mich auswählen sollen… 😀 Auf Zum Nähen in den Keller zeige ich hauptsächlich – der Name gibt das ja schon her – was so alles in meinem Nähkeller entsteht. Das ist vor allem Kleidung für meinen nun schon sechsjährigen Buben. Ab und zu nähe ich auch mal kleinere Geschenke und ganz selten auch mal was für mich.
Da ich Vollzeit berufstätig bin, selbstverständlich gerne Zeit mit meiner Familie verbringe und sich der Haushalt leider auch nicht alleine macht, sind meine Tage in der Regel gut ausgefüllt. Zeit für mich und meine Hobbys bleibt da nicht viel. Und damit sind wir ja schon voll im Thema: Welche Strategien funktionieren für mich, um Nähprojekte dennoch zu Ende zu bringen, also möglichst wenige UFOs herumliegen zu haben? Dazu nehme ich euch mit in eine kurze Überlegung dazu, was für mich überhaupt UFOs sind und auf welchen verschiedenen Planungsstufen Nähprojekte bei mir stecken bleiben können. Für jede der Planungsstufen habe ich reflektiert, wie schlimm ich das finde, aber auch versucht, mir Gedanken darüber zu machen, welche Strategien helfen, die UFO-Bildung zu verhindern.

UFOs? Gibt es bei mir nicht!

Als Annette gefragt hat, ob ich über meine UFOs bei ihr im Blog schreiben möchte, war mein erster Impuls, zu schreiben, dass ich keine UFOs habe. Das ist natürlich Quatsch 😉 Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo da draußen eine Hobbynäherin oder einen Hobbynäher gibt, die keine unvollendeten Projekte irgendwo in einer Kiste, im Regal, auf dem Nähtisch oder sonst wo liegen hat. Und falls doch, werfe diese Person bitte das erste Nähgewicht 😀 Hier seht ihr meine UFO-Kiste:

In dieser Kiste landen all jene Dinge, die ich mal zugeschnitten habe, aber die ich entweder nicht zu Ende genäht oder gar nicht erst angefangen habe zu nähen. Manchmal weil das Nähen unerwartet schwierig wurde, meine Fähigkeiten überstieg oder ich einfach nur keine Lust hatte, mich zu konzentrieren (z.B. die karierte Bluse…). Das sind dann oft Projekte, die ich ohne große Lust angefangen habe oder bei denen auch der Zeitpunkt nicht gestimmt hat, weil ich zu müde war oder den Kopf zu voll mit anderem Kram hatte. Bei den Projekten, bei denen ich zumindest über das Zuschneiden hinausgekommen bin und schon ein paar Nähte geschlossen habe, sind einige dabei, bei denen ich nicht gleich alles zugeschnitten habe (bei Shirts fehlen z.B. immer mal wieder die Bündchen) oder bei denen ich beim Nähen feststelle, dass ich einen Fehler beim Zuschnitt gemacht habe. Passiert, ist doof, noch mal zuschneiden aber auch. Mein Fazit zu den Gründen, weshalb bei mir UFOs entstehen, ist also: Weil ich bei Schwierigkeiten teilweise dazu neige, einfach aufzugeben…

Aber warum empfinde ich diese Projekte dann nicht wirklich als UFOs, warum ist mir diese Kiste nicht sofort mit schlechtem Gewissen eingefallen? Nun ja, gemeinsam haben sie auch, dass sie mir nicht wichtig sind. Alle diese UFO-Projekte habe ich begonnen, ohne sie wirklich zu brauchen oder zu wollen. Nur mal um den Schnitt auszuprobieren. Nur, um endlich mal den Stoff zu verarbeiten, der mir eigentlich ohnehin nie so gut gefallen hat. Nur, weil ich eigentlich sehr gerne Shirts nähe, dabei weiß ich doch, dass das Kind ohnehin nicht alle, die jetzt schon im Schrank sind, überhaupt anziehen kann. Und weil ich ohnehin nicht sooooo ernsthaft vorhabe, diese Projekte jemals fertig zu machen, sind sie auch keine wirklichen UFOs für mich. Ist zwar manchmal schade um den Stoff, aber bei jedem dieser Projekte bin ich eigentlich um eine Erfahrung reicher geworden. Sei es, weil ich aus Fehlern habe oder weil ich etwas über mich selber gelernt habe. 🙂

Manche haben Flugzeuge im Bauch, ich hab‘ UFOs im Kopf…

Nach ein bisschen hin und her habe ich Annette also zugesagt, einen UFO-Gastbeitrag zu schreiben (deshalb lest ihr jetzt auch diesen langen Text – super, dass ihr bis hier schon durchgehalten habt!). Angeboten hatte ich Annette, über die UFOs in meinem Kopf zu schreiben. Oder genauer: Die UFOs auf meiner To Sew-Liste.

Müsste ich meine Art, Nähprojekte anzugehen, charakterisieren, dann könnte ich wohl zwei wesentliche Kategorien bilden:

  1. anlassbezogene Projekte: diese Projekte kommen spontan zwischendurch. Hauptmotivation ist, dass ich irgendeine Verpflichtung, die ich mit mir selber oder anderen eingegangen bin, erfüllen möchte. Ein Beispiel dafür ist z.B. der Spieluhr-Elefant, für den ich den KSW-Stoff zu Maikas Bloggeburtstag verwendet habe. Und natürlich fallen unter diese Kategorie auch manchmal Geschenke wie Freundebuchtaschen für die Kindergartenfreunde, Mützen als schnelle Mitbringsel oder dieser Brötchenbeutel für eine Wanderfreundin. Und auch die Dinge, die auf meiner To Sew-Liste stehen, hüpfen aus verschiedenen Gründen gerne mal in diese Kategorie, so wie z.B. diese Fliegermütze, die zwar jahreszeitlich nicht wirklich in den Juli passt, das Kind aber kurzfristig sehr glücklich gemacht hat, als er mit der Kindergartengruppe zum Motto „Segelfliegen“ beim Dorffest im Umzug mitgelaufen ist.
  2. Projekte von meiner To Sew-Liste: hier arbeite ich tatsächlich mehr oder weniger systematisch Pläne ab. Um diesen Fall soll es im Folgenden auch hauptsächlich gehen. Eine Liste haben ist für mich zwar hilfreich, garantiert aber nicht, dass ich alles schaffe. Ich plane sogar absichtlich mehr, als ich schaffen kann. Und das bedeutet andererseits auch, dass meine UFOs tatsächlich eher selten in der UFO-Kiste landen, sondern viel häufiger lange, bevor ich überhaupt den Stoff in die Hand nehme, die Abzweigung zum unvollendeten Projekt nehmen. Sie sind also UFOs in meinem Kopf 🙂

Step by Step

Wie genau ist das denn dann mit den UFOs, wenn man nicht nur an die UFO-Kiste denkt? Ich habe mir für diesen Beitrag mal Gedanken gemacht, welche Stufen ein Nähprojekt bei mir so durchläuft, bis es wirklich fertig ist – und was wirklich fertig für mich bedeutet. Und dabei auch, was auf den verschiedenen Stufen passieren kann, dass die Vollendung eines Projektes verhindert.

Stufe 1: Inspiration

Meiner Meinung nach steht ganz am Anfang jeden Nähwerks eine Idee. Und diese Ideen sind überall um uns rum – gerade für diejenigen unter euch, die so wie ich Kleidung nähen, gibt es eigentlich keine Möglichkeit dieser täglichen Inspiration aus dem Weg zu gehen. Unbekleidete Menschen begegnen mir persönlich zumindest nur selten und außerhalb der Schwimmbad-Umkleidekabine und -dusche oder dem heimischen Schlaf-, Bade- und Kinderzimmer eigentlich nie. 😛 Und wenn mir an der Kleidung der Menschen um mich herum etwas gefällt, dann schaue ich auch mal genauer hin und versuche mir das zu merken. Genau so geht es mir auch, wenn ich auf Blogs stöbere oder in den sozialen Netzwerken und wenn ich mich durch Nähbücher und -zeitschriften hindurchblättere. Und hier wird aus „Das gefällt mir“ dann manchmal „Das will ich auch“. Und manchmal dann sogar „Das wäre super für den Lauser/für mich/für das nächste Babygeschenk/…“ Und spätestens, wenn dieser Punkt erreicht ist, trete ich oft in die nächste Phase der Planung ein und ich notiere mir die Idee.

UFO-Kosten: quasi 0. Das ist noch so unkonkret, dass es vollkommen egal ist, ob da jetzt was draus wird oder nicht. Träumen kostet nichts und macht mir sogar ein wenig Freude, wenn auch nichts daraus wird 🙂
Gegenmaßnahmen: nicht nötig.

Stufe 2: Lockere Ideensammlung

Bei der Vielzahl an Ideen, die so um uns rum sind, ist es unmöglich, alles umzusetzen. Die Wahrscheinlichkeit steigt aber durchaus, wenn Ideen notiert werden. Ich persönlich mache das vor allem auf zwei Arten:

  1. auf Pinterest und
  2. in meiner Dropbox

Auf den Pinterest-Boards landen vorrangig konkrete Umsetzungsideen, die ich mir gerne abschauen möchte. Ich speichere hier vieles von dem, was ich über Pinterest finde, aber auch das, was mir gefällt, wenn ich in Blogs oder anderswo im Netz lese. Von Fundstücken auf Facebook oder Instagram, die nicht so einfach zu Pinterest geschickt werden können und über die ich auch eher stolpere, wenn ich mit dem Smartphone unterwegs bin, mache ich Screenshots. Dabei achte ich darauf, möglichst auch den Namen der Urheberin mit aufzunehmen, um später noch zu wissen, woher ich eine Idee habe. Diese Fotos speichere ich in einem Dropboxordner, der bei mir diy-ideen heißt. Sowohl die Fundstücke auf Pinterest als auch in meinem Dropbox-Ordner diy-ideen sind noch keine Pläne, sondern einfach nur Ideen, die mir so gut gefallen, dass ich sie auch wirklich wiederfinden möchte, sollte ich sie doch in die Tat umsetzen wollen.
Damit das bei Bedarf auch klappt, kategorisiere ich die Fundstücke. In der Dropbox in (für mich) eindeutig benannten Ordnern, auf Pinterest auf verschiedenen Pinnwänden. Das hilft mir sehr, wenn ich etwas Bestimmtes suche, aber auch dann, wenn ich nur mal stöbern möchte, weil mir für ein bestimmtes Vorhaben die konkrete Idee fehlt.

UFO-Kosten: Nein. Ob ich die Ideen aus der Sammlung nun umsetze oder nicht, ist ohne Konsequenz.
Gegenmaßnahmen: nicht nötig.

Stufe 3: To Sew-Liste

In meiner To Sew-Liste, die ich schon seit 2015 jährlich auf meinem Blog führe, plane und dokumentiere ich, was ich alles nähen möchte. Eine Zeit lang hatte ich versucht, hier nach der SMART-Regel Ziele zu definieren. SMART ist dabei im Projekt- und Selbstmanagement ein Akronym für die Eigenschaften, die Ziele haben, die mit höherer Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden:

Sie sollen S wie Spezifisch sein, also nicht zu schwammig, sondern möglichst konkret formuliert. Beim Nähen also nicht nur vornehmen, was für’s Kind zu nähen, sondern konkret, welche Kleidungsstücke den Schrank füllen sollen.
M wie Messbar bedeutet, dass man sich die Ziele so formuliert, dass man die Erreichbarkeit auch messen kann. Also nicht: Ich nähe Hosen, sondern ich nähe drei Hosen. Dann weiß man auch, wann man fertig ist.
A wie Attraktiv oder Akzeptabel bedeutet, dass man nur Ziele formulieren sollten, hinter denen man auch steht. Denn, siehe oben, was man nicht wirklich will (oder muss…) wird oft schwierig.
Das R steht für Realistisch. Auch das vergisst man oft, wenn man sich Ziele: Man sollte sie auch erreichen können. Also planen Nähanfänger vielleicht lieber kein kompliziertes Hochzeitskleid mit allem Schnick und Schnack und auch Fortgeschrittene sollten keine fünf Nähwerke pro Tag planen, wenn sie jeweils nur eine Stunde erübrigen können.
T steht schließlich für Terminiert. Man setzt sich Ziele idealerweise so, dass man auch ein Datum hat, an dem sie erreicht sein sollen. Auch das macht es wahrscheinlicher, dass die Ziele überhaupt irgendwann umgesetzt werden.

Nein, diese Regeln setze ich in meiner To Sew-Liste nicht wirklich um 😀 Oder zumindest nur teilweise. Auf meine To Sew-Liste kommt großzügig alles, was mir sinnvoll erscheint und was ich mir auch wünsche, dass ich es mal nähe. Dabei bin ich einigermaßen spezifisch, ich präzisiere also, welche Arten von Kleidungsstücken für das Kind oder für mich entstehen sollen und für das Kind auch in welchen Größen. Attraktiv sind diese Ziele für mich auf jeden Fall auch. Messbar allerdings nicht, ebenso wenig wie realistisch. Denn dann müsste ich deutlich stärker von vorneherein priorisieren. Und für ein Hobby habe ich das Gefühl, dass mich das zu sehr einschränkt. Ich träume lieber ein bisschen größer, auch wenn das bedeutet, dass ich nicht alles schaffe. Da ich aber die To Sew-Liste auf meinem Blog auch dazu nutze, meine Nähwerke zu dokumentieren, kann ich mich dennoch darüber freuen, dass sich so einige Pläne bis Jahresende mit vollendeten Werken füllen. 🙂

UFO-Kosten: gering. Wenn ich doch keine Zeit oder Lust habe, meine Pläne zu realisieren, dann ist das eben so. Zur Not muss ich halt doch das fertige Kleidungsstück kaufen, wenn es gebraucht wird.
Gegenmaßnahme: priorisieren. Projekte, die wichtig und dringend sind, um den Bedarf zu decken, versuche ich vorausschauend und bevorzugt zu nähen. Also im Frühjahr eher Sommershirts und kurze Hosen, im Sommer dann Kleidung für den Herbst, im Herbst die dickeren Pullis für den Winter usw. Da ich im Gegensatz zu meinem Lauser nicht mehr wachse (höchstens in die Breite… 🙄 ), ist der Bedarf bei ihm in der Regel dringender als bei mir, das erklärt dann auch teilweise, dass es bei mir bedeutend mehr Kinderprojekte zur Vollendung schaffen als Pläne für mich selbst. Naja und ein wenig Lustprinzip ist da nun mal auch dabei 😉

Stufe 4: Schnittmustersammlung

Neben einer kategorisierten Liste an Kleidungsstücken, die ich gerne nähen möchte – also die To Sew-Liste auf dem Blog – habe ich auch eine Sammlung an Schnittmustern, die ich wiederum in meiner Dropbox in verschiedenen Ordnern abgelegt habe. Zu viele Schnittmuster… Wenn mir Beispiele genähter Werke ganz besonders gut gefallen, dann speichere ich die nicht nur meiner Ideensammlung, dann kaufe ich mir oft auch die Schnitte. Selbstverständlich mit dem festen Vorhaben, die dann auch mal zu nähen… 😛 Die Schnitte kategorisiere ich in Ordnern nach einem ähnlichen Schema wie meine Nähpläne in der To Sew-Liste. Die Schnittmustersammlung ist deshalb einerseits ein praktisches Nachschlagewerk, wenn ich überlege, welches Projekt ich konkret als nächstes angehen möchte. Andererseits findet eine konkretisierte Auswahl daraus auch Eingang in meine To Sew-Liste, in der ich mir immer auch gleich Ideen für Schnitte zu jedem Vorhaben notiere. Stufe 3 und 4 sind also eher parallel zu verstehen als aufeinander aufbauend. Was hier Henne und was Ei ist, kann ich auch nicht so genau sagen 🙂

UFO-Kosten: ein wenig. Immerhin sind bei den meisten Schnittmustern ja Kosten entstanden. Ein bisschen schade ist es also schon, wenn die Schnittmuster ungenutzt auf der Dropbox liegen.
Gegenmaßnahmen: weniger Schnitte kaufen und mehr Schnitte aus der Sammlung ausprobieren. Wobei ich für mich auch einfach feststellen muss, dass ich meine Lieblingsschnitte habe und den Aufwand, neue Schnitte auszudrucken und zurechtzubasteln, eher scheue. Deshalb bin ich dazu übergegangen, auf den Kauf von Schnitten zu verzichten, auch wenn sie mir noch so gut gefallen und stattdessen lieber Nähbeispiele in der Ideensammlung abzulegen und Schnitte nur dann zu kaufen, wenn ich wirklich ganz konkret genau das nähen möchte.

Stufe 5: Schnitte und Stoffe zuordnen

Jetzt wird es so richtig konkret. Ich habe mich für ein oder mehrere Schnittmuster entschieden, die ich auf jeden Fall nähen möchte. Diese drucke ich aus und bastle sie mir in der richtigen Größe zusammen. Aus meinem Stofflager wähle ich die Stoffe aus, die mir am passendsten für die Schnitte erscheinen. Im Regal neben meinem Nähtisch lege ich mir die Stoffe und die Schnittmuster zusammen bereit. Mein Ziel ist es, Stoffe abzubauen. Neue Stoffe zu kaufen, erlaube ich mir deshalb nur noch, wenn ich ein wirklich konkretes Projekt dafür im Blick habe. Das klappt so lala 😀 Immer wieder mal reicht die Zeit dann doch nicht, die Pläne umzusetzen.

UFO-Kosten: mittel. Bis ich mal soweit bin, sind Kosten für Stoffe und Schnitte entstanden und auch der Aufwand zum Vorbereiten der Schnittmuster.
Gegenmaßnahme: Gut überlegen, welche Stoffe tatsächlich gefallen und zu den Schnitten passen. Realistisch planen, wie viel einerseits benötigt wird und andererseits zeitlich zu schaffen ist. Und wenn ich dann doch merke, dass ich daneben gelegen habe: Stoffe tauschen oder verkaufen, und so den Schaden begrenzen.

Stufe 6: Zuschneiden

Liegen die Schnittmuster und Stoffe bereit, geht es ans Zuschneiden. Oft schneide ich gleich mehrere Projekte eines Schnitts auf einmal zu. Dann kann ich mich ganz auf das Zuschneiden konzentrieren. Da ich mir in der Regel zunächst nur die Hauptstoffe für ein Projekt zurechtlege, gehört bei mir zum Zuschneiden auch, geeignete Kombistoffe und Bündchen auszusuchen. Die fertigen Zuschnitte lege ich mir entweder auf dem Nähtisch zurecht – wenn ich weiß oder plane, dass ich das Nähen schon sehr zeitnah in Angriff nehmen werde – oder aber ich packe alle zusammengehörigen Zuschnitte in einen Zipper-Beutel, damit nichts verloren geht.

UFO-Kosten: hoch. Ist der Stoff erst einmal zugeschnitten, wird es schwierig, sie noch einmal für ein anderes Projekt zu verwenden oder zu verkaufen/zu tauschen. Es ist also wirklich schade, wenn es nichts wird.
Gegenmaßnahme: realistisch planen, wie viel ich tatsächlich zeitnah nähen kann. Zwischen Zuschnitt und Nähen darf bei mir auch nicht zu viel Zeit vergehen, damit ich mich nicht mehr neu hineindenken muss, was ein Hindernis bei der Realisierung eines Projekts sein kann.

Stufe 7: NÄHEN! Endlich NÄHEN!

Juhu, endlich sitze ich an der Nähmaschine und/oder Overlock und aus Stoff wird ein fertiges Nähwerk. Jetzt kann mich so gut wie nichts mehr aufhalten 😀 Außer natürlich, ich habe bei einem der vorherigen Schritte geschlampert und doch nicht alle Teile gleich zugeschnitten oder einen Fehler beim Zuschnitt gemacht. Da kann es dann passieren, dass ich keine Lust mehr habe, hier noch einmal zum Zuschnitt zurückzukehren. Oder ich merke, dass ich die Anleitung doch nicht kapiere und das Nähen klappt nicht, wie es soll. Das frustriert mich dann und das Nähwerk landet auch in der UFO-Kiste.

UFO-Kosten: hoch. Stoff und Zeit sind definitiv verloren, wenn es hier nicht mehr weiter geht.
Gegenmaßnahme: sorgfältige Vorbereitung und nicht zu viel vornehmen. Wobei ich rückblickend feststellen muss, dass natürlich meine Fähigkeiten besser geworden sind und es mir kaum noch passiert, dass ich frustriert aufgebe, weil es einfach nicht klappt. Und, ja, ich kann auch mal Fünfe gerade sein lassen und mit einem guten aber nicht perfekten Ergebnis leben. 😉

Stufe 8: Fotografieren

Eigentlich könnte ich jetzt fertig sein. Da es mir aber auch wichtig ist und einfach persönlich gut tut, wenn ich meine Nähwerke auch auf dem Blog zeige und dokumentiere, müssen noch Fotos her. Eine Zeit lang habe ich mich da echt verrückt machen lassen. Es ist ein paar Jahre her, da gab es auf vielen Blogs Beiträge, in denen stand, dass man eigentlich nur Fotos verbloggen darf, die mit einer Spiegelreflexkamera oder doch zumindest mit einer digitalen Kompakten geschossen wurden. Die Autorinnen verteufelten das schnelle Handyfoto als absolutes No-Go. Außerdem sollen die Fotos perfekt ausgeleuchtet sein, Fotos auf dem Boden gehen überhaupt nicht, es sollte schon ein Fotohintergrund sein und eigentlich ist ein Blogbeitrag über genähte Kleidung ohne Tragefotos untragbar. Davon musste ich mich echt locker machen. Wenn diese Autorinnen das so sehen, dann ist das eben so. Meine Ansprüche sind hier geringer bzw. meine Priorität ist eher, dass ich überhaupt blogge, auch wenn die Fotos nicht perfekt sind.

Ich habe für mich akzeptiert, dass ich zwar natürlich die Fotos mit der Spiegelreflexkamera schöner finde als mit dem Handy. Aber die Handykameras sind wirklich besser geworden in den letzten Jahren. Und diese Bilder sind ruckzuck und kabellos übertragen, während ich bei der Kamera immer erst noch die Karte rausnehmen, das Kartenlesegerät anschließen (manchmal vorher noch finden… 🙄 ) und die Bilder auf den Rechner ziehen muss, dann muss alles wieder aufgeräumt werden. Bevor ich also gar nicht fotografiere, nehme ich das Handy.
Das Kind hat außerdem meistens einfach keine Lust, für Fotos zu posieren und ich spiele lieber mit als immer wieder daran zu denken, zwischendurch mal eben noch unbemerkt schnell ein Bild zu schießen, auf dem die Kleidung im Fokus ist. Für mich ist es da entspannter, einfach ein Flatlay zu machen und damit zu leben, dass die Ausleuchtung dabei oft auch nicht perfekt ist – dafür habe ich mir angewöhnt, möglichst sofort nach dem Nähen zu fotografieren, auch wenn es da in der Regel draußen schon dunkel ist und die Lichtverhältnisse nicht mehr optimal sind. Ist einfach so. 🙂

Quelle: Pixabay

UFO-Kosten: monetär bei null, mein Ego mag es aber lieber, wenn ich das mit dem Foto schaffe 😉
Gegenmaßnahmen: Ansprüche runterfahren, Minimalstandards definieren, möglichst bald nach dem Nähen fotografieren.

Stufe 9: Bloggen

Juhu, wenn dieser Schritt geschafft ist, ist ein Nähprojekt für mich so richtig abgeschlossen. Also so richtig richtig. Dann schließt sich auch wieder der Kreis zu meiner To Sew-Liste, in der dann auch meine Nähergebnisse dokumentiert sind. Dieser Schritt kostet noch ein wenig Zeit. Ich muss ein paar ruhige Minuten finden, meine Fotos in mein übliches Format (gelber Rand, Logo irgendwo platzieren) bringen und einen Text drum rum schreiben. Wer es bis hierher geschafft hat, ahnt sicherlich schon, dass mir das Schreiben nicht ganz so schwer fällt… 😉

UFO-Kosten: monetär bei null, der Gewinn für mich selber ist aber ein gutes Gefühl, es vollständig geschafft zu haben, wenn ich meine Nähwerke auch verblogge. 🙂
Gegenmaßnahmen: Nähfotos landen bei mir in einem speziellen Fotoordner, bereits verbloggte Fotos kommen raus. So kann ich, wenn ich Zeit zum Bloggen habe, auch immer sehr schnell ein Thema finde und anfangen kann.

Zum Abschluss

So, das war jetzt ein langer Text. Danke für’s Mitlesen und vielen Dank, liebe Annette, für deine Einladung, über meine UFOs zu reflektieren. Falls die eine oder andere von euch lieben Leserinnen auf Augensternswelt nun Lust bekommen hat, mal bei mir im Blog vorbei zu schauen, freue ich mich, wenn ihr euch bei Zum Nähen in den Keller umschaut. Und natürlich werde ich auch die Kommentare hier unter diesem Gastbeitrag lesen und ich freue mich, wenn ihr schreibt, ob ihr euch in meinen Überlegungen wiedererkennt und auf welcher Stufe eure meisten UFOs entstehen. 🙂

 


verlinkt mit: UFO Linkparty – Let’s finish old stuff, Nähzeit am Wochenende, Samstagsplausch und Froh und Kreativ

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15 Kommentare

  1. Liebe Jana, liebe Annette,
    ein sehr schöner, persönlicher und informativer Post. Zu gern würde ich ja gelegentlich bei dir mal gucken können und ich kann dazu nur sagen – ich freue mich, wenn die Endstufe erreicht wird und ich dann bei dir lesen und gucken kann. Das mit den Fotos stört mich überhaupt null komma nix, das ist es gerade was ich bei den Hobbybloggern mag … keine Hochglanzbilder mit gestylten Kindern, sondern eben das was gerade möglich war, mal ein Detailbild oder eben auch ein verwackeltes Foto. Bei mir sind diese KopfUFOs schlimm … meinstens wachsen sie sich zu Nafos aus und blieben in dem Stadium stecken. Was ich anfange zu nähen beende ich auch … früher oder später. Liebe Grüße Ingrid

  2. Ich habe bis zum Schluss durchgehalten! Und fand, dass Deine Stufenabfolge der meinen ziemlich gleicht. Nur dass bei mir die monatliche Planung meiner Blogbeiträge und die Planung der Nähprojekte sich gegenseitig beeinflussen. Deinen Beitrag fand ich erhellend und amüsant! Meine Kiste mit angefangenen/bereit gelegten Projekten ist größer, manche Dinge warten da schon seit zwei Jahren auf ihre Fertigstellung, aber es wird eine passende Zeit dafür kommen. Sie fertigzustellen oder auszusortieren. Die Gründe sind meist ähnlich wie bei Dir: brauch ich nicht wirklich oder es gibt keinen Termin, zu dem es fertig sein muss. (Deshalb liebe ich auch alle Blog-Aktionen mit fixem Termin – wie z.B. die Stoffspielereien – sehr.) Danke für Deinen ausführlichen Artikel und die zahlreichen guten Gedanken! Liebe Grüße, Gabi

  3. Hallo Jana,
    was für ein beeindruckend informativer Beitrag! Unglaublich wie gut du organisiert bist, wie durchdacht du mit deiner überbordenden Kreativität umgehst. Diesen Post musste ich mir nach dem ersten neugierigen Lesen unbedingt ein zweites Mal in völliger Ruhe gönnen. Und es wird sicher nicht das letzte Mal sein. Die SMART-Methode hat es mir angetan. Die Wegstrecke von Inspiration zum Blogbeitrag kann ich gut nachvollziehen. Schon seit vielen Monaten hat die Abarbeitung all meiner Ufos absolute Priorität (hauptsächlich Quiltarbeiten). Kleine motivierende Arbeiten schiebe ich dazwischen, die werden aber zügig ganz fertig gestellt. Ein Langzeitprojekt (Harry-Potter-Quilt) wird mich noch eine Zeitlang beschäftigen. Zudem bin ich regelmäßig dabei, eine gute Ordnung im Nähzimmer zu bewerkstelligen, meine Ergebnisse diesbezüglich können sich sehen lassen.
    Herrlich ist es, all diese netten und hilfreichen Beiträge im Bloggerland zu genießen – dir und Annette herzlichen Dank
    LG eSTe

  4. Liebe Jana,
    wow, das war ein langer Text. ?
    Ideen- und Schnittmuster-Sammlungen habe ich auch. Allerdings nicht so toll geordnet wie bei dir. Da sollte ich mich mal ransetzen. Bei mir entstehen die Ufos meistens bei Projekten, die sich über einen größeren Zeitraum erstrecken. Das kann man an meiner Ufo-Liste gut sehen, da sind ja hauptsächlich Quilts drauf. Oft kommen mir dann andere Projekte dazwischen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie z. B. Geburtstag, fertig sein müssen und dann fehlt mir anschließend die Motivation für das Großprojekt.
    Schnittmuster kaufe ich mittlerweile auch nicht mehr sofort, das ist einfach zu schade, wenn es nur auf der Festplatte rum liegt.
    Liebe Grüße
    Marietta

  5. Liebe Jana!
    Dein Beitrag war echt spannend zu lesen. Und irgendwie kann man schon parallelen zu einem selbst erkennen – auch wenn ich eigentlich so gut wie keine Kleidung nähe.
    Mit UFO´s (in welcher Form auch immer) hat ja jeder zu kämpfen. Ich wünsche dir viel Erfolg weiterhin
    Liebe Grüße Karin

  6. Liebe Heidrun,
    den Gedanken, dass ich – sollte ich von Zuhause aus arbeiten müssen – UFOs abbauen könnte und ganz viel Nähzeit hätte, hatte ich auch schon. Leider gilt aber, dass man dennoch arbeiten muss, wenn das irgendwie möglich ist. Also werde ich leider keine Nähzeit gewinnen – schade! 😀
    LG Jana

  7. Liebe Jana, liebe Annette, was für ein toller Beitrag!!! Sehr locker und informativ geschrieben, vielen Dank! Meine UfOs entstehen meist, weil ich den Zeitbedarf unterschätze und dann der Termin verstrichen ist, irgendwann gefällt das Projekt womöglich nicht mehr – ein Kreislauf. Besonders gut gefällt mir Deine SMART-Erklärung und davon R und T besonders. Das sind die Punkte, die ich viel stärker beachten muss, ist es realistisch und kann ich es wirklich bis zum Zeitpunkt oder in der Zeit x schaffen.
    Auch Dein Nähbereich ist so klasse, wunderbar fröhlich bunt, so macht das Nähen im Keller sicher Spaß ;o) Mir gefällt das gut, wie Du an die Ansprüche der Profi-Näh-Blogger rangehst und Du Deine eigenen Ansprüche für Dich definierst, besonders bei den Fotos… Eine superduper Fotoausrüstung kann und will sich nun mal nicht jede leisten und damit umgehen können müsste man ja auch noch.
    Dankeschön auch an Annette für die Plattform zu den UfO-Gedanken, habt ein schönes Wochenende und bleibt gesund
    Katrin

    1. Vielen Dank, liebe Katrin, für deine lieben Worte! Mir hilft die SMART-Regel tatsächlich auch sehr und ich wende sie vor allem im Beruflichen oft an. Aber manchmal träume ich einfach viel zu gerne, um mich an das R zu halten 😀
      Ja, und die Fotos… Kamera und hinreichende Fähigkeiten wären ja vorhanden, aber mir ist der Aufwand, die Fotos von der Kamera auf den Rechner zu holen tatsächlich oft zu groß… 😀 Was man doch für Befindlichkeiten hat…?
      LG Jana

  8. Ein köstlicher Beitrag rund um die UFOs, im Allgemeinen und im ganz besonderen Sinne. Unvermittelt werden wir alle mehr oder minder durch den Coronavirus an diese liegengeblieben Dinge herangeführt – was will frau sonst auch machen? Dreimal hintereinander den Türknauf polieren!? Da lohnt es sich tatsächlich an alte Projekte heranzugehen…

    …bleibt gesund und habt ein schönes Wochenende, liebe Grüße von Heidrun

    1. Ohhh, das wäre schön gewesen, mit dem Start der #Corontäne mehr Zeit gehabt zu haben. Ich habe immer 100 % gearbeitet, sodass gar nicht mehr Zeit geblieben ist. Gefühlt hatte und habe ich oft den Eindruck, dass ich durch das Homeoffice noch weniger Zeit habe als vorher. Der Ufo-Stapel wird daher nicht wirklich weniger, aber gut Ding will eben Weile haben. 🙂
      Viele Grüße
      Anni

  9. Liebe Jana, liebe Annette,

    ein ganz wunderbarer Beitrag ist das, liebe Jana, ich habe begeistert bis zum Schluss durchgehalten und ganz viele deiner Sätze hätten so auch von mir stammen können. Ich verstehe das Dilemma gut, in dem du dich manchmal befindest – wird es noch was mit dem Nähwerk oder nicht, was mache ich mich bereits zugeschnittenen Sachen usw. Ich habe hier einige Zuschnitte liegen, da sind die zu benähenden Kinder inzwischen aus der Größe rausgewachsen. Noch Fragen?! Ahhh… Aber nun denn, es gibt immer Luft nach oben und ich nehme viele deiner Ideen mit, um meinen Prozess hier von der Inspiration bis zum Blogbeitrag an der ein oder anderen Stelle nochmals neu zu überdenken/neu zu strukturieren. Denn auch hier bei mir ist noch viel Luft nach oben.

    Vielen Dank für deine Gedanken und Anregungen zum Thema und danke auch an dich, liebe Annette, für die tolle Plattform der Gastbeiträge. Es ist immer wieder schön zu lesen, wer sich wozu welche Gedanken macht und sich über diese Plattform auszutauschen, was man vielleicht für sich selbst umsetzen könnte.

    Herzensgrüße an euch beide und habt ein schönes Wochenende mit euren Lieben

    Anni

    PS. Und ein gutes Durchhaltevermögen in diesen unruhigen Zeiten des Coronavirus. Liebe Jana, ich hoffe, ihr bekommt die kitafreien Wochen gut organisiert!

    1. Liebe Anni,
      vielen Dank für deine lieben Worte! Von ein paar der bereits zugeschnittenen bzw. schon fast fertig genähten UFOs hast du mich ja auch schon befreit 😀 Da war ich sehr froh drum und du hast die so toll fertig genäht 🙂 Was das Abarbeiten von Projekten angeht, bist du aber definitiv mein nicht erreichbares Vorbild, dein Output ist echt phänomenal!
      Mach es gut und bleib gesund!
      Jana

      PS: Der Mann hat angeordnetes Homeoffice, deshalb ist es bei uns unkritisch. Für andere ist es auf jeden Fall schwieriger, ich habe also Glück. Dein Schüler ist ja zum Glück schon so groß, dass er nicht mehr so viel Betüddeln braucht, nicht wahr? 😀

      1. Jesses aber auch, heute (!!!!) lese ich deine Antwort auf meinen Kommentar vom März. Nun… die ewige Leier… Irgendwas ist immer… 😀
        Ja, der Schüler braucht nicht mehr ständig betüddelt zu werden, das ist ihm eher lästig, denn ich würde ja ab und zu noch gerne. 😉 Aber ebenfalls ab und zu mag er es dann doch, betüddelt zu werden.
        Herzensgrüße
        Anni

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